Corona, Gott, Sinn und Erfolg.
Kaum etwas anderes als Corona hat in den letzten Jahren unser Leben so dermassen auf den Kopf gestellt. Von einem Tag auf den anderen war alles anders. Alles. Und obwohl das Leben jetzt langsam wieder normaler wird, ist noch vieles ungewohnt und wird es über längere Zeit wohl noch bleiben. Das „alte Normal“ kommt vielleicht nicht mehr zurück, wird gemunkelt. Wie schon in früheren Zeiten, wird die Pandemie unser Leben nachhaltig prägen und verändern. Denken wir nur zurück an 9/11 und wie das unsern Umgang mit Sicherheit verändert hat (Stichwort Flugreisen).
Wir können nun dem „alten Normal“ nachtrauern, wir können über unnötige Massnahmen lamentieren und uns selbst bemitleiden. Oder wir nutzen diese Zwangspause um innezuhalten und uns zu überlegen, was wirklich wichtig ist in unserem Leben. Was Sinn gibt und was für uns Erfolg ist.
Corona, Gott, Sinn und Erfolg. Hast du dir schon überlegt, was übrig geblieben ist, nachdem die Behörden alles geschlossen haben? Vielleicht hat dich die Leere überrascht? Oder es hat dich verwundert, dass dich die Zeit und Nähe mit deiner Familie überfordert hat? Vielleicht hattest du plötzlich Zeit für Dinge, die du schon lange mal wolltest aber nie dazu gekommen bist.
Und was ist von deinem Glauben, von Gott, übrig geblieben, nachdem die Kirchen geschlossen wurden? Ist der perfekt inszenierte Online-Gottesdienst wirklich ein Ersatz für die physische Begegnung und Präsenz in der Kirche? Oder bist du einfach masslos von Gott enttäuscht, der dich hängen liess? Ein Gott, der untätig zuschaute wie deine Existenz zugrunde geht? Vielleicht fragst du dich auch, ob es überhaupt noch Sinn macht, an Gott zu glauben?
In den letzten 100 Jahren haben sich nicht nur unsere Lebensgewohnheiten verändert, auch unser Verständnis von Gott und Glaube hat sich der Zeit angepasst. Wir haben es wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass wir Gott zu unserem Sklaven gemacht haben. Gott ist da, damit es uns gut geht, damit wir Erfolg haben und glücklich sind. Stand einst noch die Anbetung Gottes im Zentrum des christlichen Glaubens, so steht heute für viele der Mensch im Zentrum des Glaubens. Solange Gott mir nützt, kann es nicht schaden, an ihn zu glauben. Doch was passiert, wenn er mir nicht mehr nützt?
Das Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft der Uni Freiburg kann aufgrund von Corona ihre Studientage „Wachet und Betet“ nicht wie geplant durchführen und ist ebenfallsins Internet ausgewichen. Einer der Vorträge spricht meiner Sicht nach prophetisch in unsere Zeit hinein. „Nachterfahrungen, eine Chance den Glauben zu vertiefen“ heisst der Vortrag des evangelischen Theologen Peter Zimmerling. Die Uni schreibt zum Vortrag: „Der Vortrag will zeigen, dass die Erfahrung der Nachtseite des Glaubens von der heutigen Tyrannei des gelingenden Lebens freimacht. Schwierigkeiten, Misserfolge und Leiden bieten die Chance, umzukehren und die Selbstverständlichkeiten des Lebens zu verändern, hinter denen sich bekanntlich die größten Irrtümer verbergen.“
Corona, Gott, Sinn und Erfolg. Nutzen wir doch die Coronapandemie um unsern Glauben und unser Verständnis von Gott zu überdenken. Weiten wir den Blick. Wir sind nicht die ersten Menschen, die eine solche Pandemie erleben. Anstatt dass wir möglichst schnell wieder zum „normal“ zurückdrängen, nutzen wir doch die Zwangspause, um unsere Vorstellungen und Wünsche von Erfolg und Sinn im Leben neu zu überdenken.