Allerheiligen ist ein Feiertag, der mir, als evangelischem Christen, bisher nicht viel sagte. Klar, es ist ein zusätzlicher Freitag, wenn er nicht gerade wie dieses Jahr auf einen Sonntag fällt. Und ich weiss, dass man an diesem Tag die Gräber besucht und der Verstorbenen gedenkt. Doch viel mehr wusste ich bis jetzt nicht. Da ist es doch ein Glück, musste ich mich im Rahmen des Religionsunterrichts intensiver mit diesem Fest befassen.
Die erste Entdeckung
Die erste interessante Entdeckung machte ich im Buch „Das Kirchenjahr mit Kindern“ des ehem. Professors für Religionspädagogik, Albert Biesinger: Er schreibt dazu: „Allerseelen bietet Raum für die Trauer um verstorbene Angehörige oder Freunde und Bekannte. Allerseelen zeigt aber auch, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist. An Allerseelen feiern die Christen, dass die Toten bei Gott sind.“ Der Trauer Ausdruck geben ist in einer Zeit wo der Tod so gut wie möglich aus dem Leben verdrängt wird, eine gute und wichtige Sache. Doch ich begriff, es geht um mehr als nur ums Gedenken. Es klingt paradox, doch an Allerheiligen oder Allerseelen wird auf dem Friedhof gefeiert. Nicht der Tod ist der Grund zum feiern, sondern die Hoffnung, dass die Verstorbenen nun bei Gott sind. Der Tod verliert seine Kraft. Es gibt Hoffnung. Hoffnung über dieses Leben hinaus. Der Apostel Paulus schrieb es so: „Tod, wo ist dein Sieg?“
Das Hochfest des offenen Himmels
Diese wunderschöne Formulierung „Hochfest des offenen Himmels“ fand ich auf der Website des Liturgischen Instituts in Freiburg. Dabei zitieren sie aus dem Hochgebte für Allerheiligen: „In Wahrheit ist es würdig und recht, dir allmächtiger Vater zu danken und dich mit der ganzen Schöpfung zu rühmen. Denn heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem. Dort loben dich auf ewig die verherrlichten Glieder der Kirche, unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind. Dorthin pilgern auch wir im Glauben, ermutigt durch ihre Fürsprache und ihr Beispiel und gehen freudig dem Ziel der Verheißung entgegen. Darum preisen wir dich in der Gemeinschaft deiner Heiligen und singen mit den Chören der Engel das Lob deiner Herrlichkeit: Heilig…“.
Diese Festpräfation ist bis zum Rand gefüllt mit biblischen Bezügen und der wichtigste, zentrale unter ihnen gibt dem Fest seine Mitte, indem er das Festgeheimnis prägnant auf den Punkt bringt; dies also ist die Vision von Allerheiligen: „Denn heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem.“
Das himmlische Jerusalem
Für unsere Ohren mag das eine ungewohnte und vielleicht auch unverständliche Formulierung sein. Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, sieht der Apostel Johannes, was in Zukunft kommen wird. Und er versucht, das Unfassbare für uns verständlich zu erklären. Für die Israeliten war der Himmel der Ort, wo Gott wohnte und der Tempel in Jerusalem der Ort, wo die Menschen Gott begegnen konnten. Das Bild vom himmlischen Jerusalem meint nun den Ort, an dem Gott unmittelbar bei den Menschen sein will. Die Stadt, in der Gott wohnen wird. Und Johannes beschreibt es als einen Ort, an welchem Gott alle Tränen abwischen wird und es kein Leid und keinen Tod mehr gibt.
An Allerheiligen, dem Hochfest des offenen Himmels, werfen wir einen Blick in die Zukunft. Ein Blick in das himmlische Jerusalem, der Ort und die Zeit, wenn wir bei Gott sind und Gott bei uns Menschen. Wenn das Leid ein Ende hat.
Die Grabkerzen, die an Allerheiligen entzündet werden, sind Hoffnungsstrahlen Gottes, die hier und jetzt zu leuchten beginnen. Es gibt wohl keinen traurigeren Ort als einen Friedhof. Und da feiern Christen die Auferstehung. „Du hast mein Klagelied in einen Freudentanz verwandelt“, singt schon David in Psalm 30.
Allerheiligen: Von der Trauer zur Freude. Vom Grab in den Himmel. Vom Tod zum Leben bei Gott. Gönnen wir uns diesen Blick in den offenen Himmel.