Vorbild stiller Held. Gibt es überhaupt solche Vorbilder, die stille Helden sind? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Helden sind doch laut, schrill, stark und erbarmungslos. Helden stehen im Vordergrund, kriegen viele Likes, Denkmäler und Strassen nach sich benannt.
Am 19. März ist tatsächlich der Feiertag eines stillen Helden. Er ist so still, dass der Feiertag kaum bekannt ist. Nur wenige Kantone in der Schweiz kennen, so wie Kolumbien, den Josefstag als gesetzlichen Feiertag. Ganz ehrlich, ich kenne den „Seppitag“ auch erst seit wir im Kanton Schwyz wohnen.

 

Josef

Josef wird als Bräutigam der Gottesmutter, oder als Ziehvater von Jesus beschrieben. Das sind wohl kaum die ultimativen Attribute für einen wahren Helden. Im Gegensatz zu seiner Frau Maria, der in der katholischen Kirche zwei Feiertage und der Monat Mai gewidmet sind, hat der arme Stiefvater Josef erst seit dem Mittelalter einen eigenen Feiertag, und der ist kaum bekannt. Und das obwohl Josef 1870 zum Schutzpatron der Kirche erhoben wurde.

Josef fristet also ein Schattendasein und dies nicht nur in der Kirche. Auch die Bibel gibt nicht viel über ihn preis. Sein Name wird in den Evangelien nur gerade 15 Mal erwähnt, und nach der Geschichte vom 12 jährigen Jesus im Tempel verschwindet Josef ganz von der Bildfläche. Und obwohl wir so wenig über Josef wissen, hat die Kirche ihn zum Vorbild für Vaterschaft gemacht.

 

Vorbild für Vaterschaft

Die Liturgie am 19. März beginnt mit dem Vers aus Lukas 12,42, der auf Josef bezogen wird:

„Seht, das ist der treue und kluge Hausvater,
dem der Herr seine Familie anvertraut,
damit er für sie sorge. „

Josef wird also zum Vorbild für Vaterschaft, zum Vorbild für einen treuen Ehemann. Das Liturgische Institut in Freiburg schreibt dazu: „Die Kirche entdeckt in ihm ein Ideal an Tugendhaftigkeit. Sie fördert das Bild des treuen Ehegatten, des sorgenden Vaters, des fleissigen Arbeiters.“ 

Josef-Anton Willa schreibt weiter dazu: „Vater sein bedeutet mehr als die Zeugung von Kindern. Heutige Männer wollen ihren Kindern kein „abwesender“, sondern ein guter Vater sein. Vaterschaft ist eine Lebensaufgabe, und auch Josef sagt Ja dazu: Er nimmt Maria zu sich und gibt ihrem Kind den Namen Jesus, wie es ihm der Engel aufgetragen hat.“

 

Josef ein Waschlappen?

Josef: Brav, gehorsam, im Hintergrund aktiv, ausführend und nicht führend. Auf den ersten Blick glänzt Josef nicht gerade als das ultimative Vorbild für Vaterschaft unserer Zeit. Doch Hand aufs Herz: Was macht heute einen Mann zum Mann? Was macht einen guten Vater aus? Reicht es, wenn ich als Vater nicht abwesend bin, wie das Josef Wila schreibt? In der ganzen Debatte um die Rechte der Frauen, die notwendig und längst überfällig ist, geht aber ganz verloren, dass sich auch die Herausforderungen und Voraussetzungen für Männer grundlegend verändert haben. Genauso, wie es an weiblichen Vorbildern in Führungspositionen mangelt, mangelt es an Vorbildern von „zeitgemässer“ Vaterschaft. Diesen Umstand beklagt Jesper Juul schon 2011 in seinem Buch „Mann und Vater sein“.

„Ein Vater des kreativen Muts. (…) Er versteht es, ein Problem in eine Chance zu verwandeln.Mit diesen Worten beschreibt Papst Franziskus den heiligen Josef in seinem Apostolischen Schreiben „Patris corde“ im Dezember 2020. Dieses Bild entspricht definitiv nicht dem eines gefügigen Waschlappens der sich von Frau und Kind herumkommandieren lässt.

 

Was macht ein Vorbild aus

Past Franziskus ist sich gewiss: Josef ist noch heute, und gerade auch in der Corona-Pandemie, die uns ganz neu herausfordert, ein Vorbild. Darum ruft er auch ein Jahr des Heiligen Josefs aus, das heute am 19. März beginnt. Mit diesem Jahr will Franziskus auch die stillen Helden des Alltags in den Vordergrund rücken. Männer und Frauen, die täglich ihr Bestes geben, damit das Leben auch in Krisenzeiten weitergeht.

Für Franziskus ist klar: Josef ist und bleibt ein Vorbild, auch für Vaterschaft. Allerdings, was macht ein (gutes) Vorbild aus? Welche Merkmale und Fähigkeiten braucht es heute, damit ein Vater ein guter Vater ist? Reicht es, ein fleissiger Versorger zu sein?

 

Neu entdecken

Das Wenige und unspektakuläre, das über Josef bekannt ist, lässt ihn nicht als besonders interessant erscheinen. Er steht nicht im Rampenlicht, kann nicht als „Held“ gefeiert werden. Vielleicht ist das eine Chance, ihn wieder neu zu entdecken und sich zu fragen, was kann uns Josef heute zum Mann und Vater sein sagen?

In den letzten Monaten bin ich auf einige Publikationen zum Thema „Mann und Vater sein“ gestossen. Ich nehme das Jahr des Josefs als Anlass, diese Themen aufzugreifen (mit der neuen Rubrik: Mann und Vater). Und ich lade alle ein, ihre Gedanken zum Thema Mann und Vater sein zu teilen. Einfach einen Kommentar zu diesem und weiteren Artikeln schreiben oder eine Mail an mich.

„Als Vater wird man nicht geboren, Vater wird man nicht einfach dadurch, dass man ein Kind in die Welt setzt, sondern dadurch, dass man sich verantwortungsvoll um es kümmert“.

Papst Franziskus

Mit diesem Zitat starte ich diese Serie zum Mann und Vater sein und bin gespannt, was es dabei alles zu entdecken gibt.