Heute stelle ich das Buch „Tänzer und Stolperer“ von Bernhard Ott vor.
Ich gebe es zu: Tanzen gehört nicht zu meinen Leidenschaften. Und ganz ehrlich, ich kann es auch nicht. So war nicht der Buchtitel entscheidend, dass ich das Buch „Tänzer und Stolperer“ von Bernhard Ott verschlungen habe.
Ich hatte schon mehrmals das Vergnügen, Bernhard Ott an Veranstaltungen und Vorträgen zu hören und auch schon fast „privat“ an einer Weiterbildung zu erleben. So war vielmehr seine Person ausschlaggebend, sein 2019 erschienenes Buch zu lesen. Das Buch macht sich auf die Suche nach der himmlischen Musik für Tänzer und Stolperer.
Was stimmt nicht mit der Welt?
Ausgangspunkt des Buches ist die Frage: „Wie kann die Welt wieder ins Lot kommen“. Aber keine Angst, Ott zeichnet nicht ein düsteres Bild der Welt, aus der wir befreit werden müssen. Er distanziert sich auch ganz klar von dieser christlichen Untugend, die Welt als übertrieben schlecht darzustellen, um dann den christlichen Glauben als einzige Lösung aller Probleme anzubieten. Vielmehr lässt er im ersten Teil des Buches drei verschiedene Männer aus unterschiedlichen Zeiten zu Wort kommen, die auf die Herausforderungen ihrer Zeit eingehen. Zum einen der deutsche Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), dann der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber (1878-1965) und zuletzt den Schweizer Theologieprofessor und Ethiker Christoph Stückelberger (*1951).
Die drei Männer machen in ihren unterschiedlichen Zeit-Epochen eine gemeinsame Entdeckung: Es braucht immer wieder Menschen mit starkem Charakter, die sich den Herausforderungen der Zeit entgegenstellen. So fragte Bonhoeffer mitten im zweiten Weltkrieg:
Sind wir noch brauchbar? Nicht Genies, nicht Zyniker, nicht Menschenverächter, nicht raffinierte Taktiker, sondern schlichte, einfache, gerade Menschen werden wir brauchen.
Dietrich Bonhoeffer
Dazu braucht es eine gute Charakterschule. Hierbei ist die Bibel und im besonderen die Bergpredigt von Jesus, ein Schlüssel dazu, damit der Charakter geformt werden kann.
Gott sucht seinen Tänzer
Dieses Bild von der Musik und dem dazu Tanzen, zieht sich durch das ganze Buch. Mir gefällt diese einladende Metapher.
Hoffnung heisst, die Musik der Zukunft hören.
Glaube heisst, in der Gegenwart danach zu tanzen.
Ott stellt immer wieder die Frage, zu wessen Musik wir tanzen. Zur himmlischen Musik oder hören wir lieber auf andere Musik? Er glaubt, in dem Moment in welchem wir aufhören, auf die himmlische Musik Gottes zu hören, werden wir zum Stolperer.
Er nimmt uns mit auf eine kleine Reise durch die Bibel und zeigt auf, wie Gott seinen Tänzer, den Menschen, immer wieder sucht. Er beginnt bei Adam, der von der verbotenen Frucht gegessen hat und sich nun vor Gott versteckt. „Die biblische Erzählung lässt darüber keinen Zweifel aufkommen: Gott ergreift die Initiative. Er sucht den Menschen. Er gibt den Stolperer nicht auf. Er sehnt sich nach Wiederherstellung. Er investiert sich, um den Menschen die Rückkehr in die Tanzgemeinschaft zu ermöglichen und um ihn dazu zu bewegen, sich darauf einzulassen.“ (Seite 52)
Zum Tanzen braucht es Musik
Bevor Ott sich der Bergpredigt nähert, stellt er den Berg-Prediger und seine Vision vor. Gott kommt in Jesus in diese Welt, um die Menschen einzuladen, wieder zu seiner Musik zu tanzen. Diese Einladung, nach Gottes Musik zu tanzen, nennt die Christenheit Nachfolge. „Der Ruf in die Nachfolge beginnt mit der Aufforderung: ‚Kehrt um‘ bzw. ‚denkt um‘. Aufgrund der älteren Bibelübersetzung hat sich in christlichen Kreisen der Begriff ‚Busse‘ festgesetzt. ‚Tut Busse!‘. Das ist ein belastender und irreführender Ausdruck. (…) Es geht tatsächlich um eine Kehrtwende des ganzen Denkens. (…) Die Botschaft lautet: (…) Dreht euch um! Damit in und mit euch Gottes Herrschaft anbrechen kann, müsst ihr euch von den falschen Bildern verabschieden und euch von neuen Bildern bestimmen lassen. Ihr hört auf die falsche Musik. Wenn ihr aus dem Stolpern herauskommen wollt, müsst ihr den Sender wechseln, eine andere CD einschieben. Folgt mir nach! Kommt in meine Schule und wir werden miteinander lernen, nach Gottes Musik zu tanzen.“ (Seite 104)
Nach Ott kommt die Musik Gottes in der Bergpredigt deutlich zum Vorschein. Sie zeigt uns, wie Gott sich die Welt vorstellt. Wie sein Königreich, in den Evangelien als Reich Gottes beschrieben, aussehen soll. Welche Tugenden dazu führen, dass dieses Reich Wirklichkeit wird und zu einer Vorzeigestadt auf dem Berg, an der sich alle Menschen orientieren können (Matthäus 5).
Befreit zum Menschsein
Dabei macht Ott immer wieder deutlich: Gott will uns nicht vom Menschsein befreien und zu etwas Höherem führen. Ganz im Gegenteil: Gott will uns zum Menschsein befreien. Wenn wir auf seine Musik hören und danach tanzen, dann entfaltet sich das Potential, das in uns Menschen steckt.
Und: „Die Formung von Tugenden, die Charakter hervorbringen, ist in der Bibel nicht ein Einzelsport, sondern ein Mannschaftssport. Tugenden werden in Gemeinschaft erworben und sie lassen eine Qualität von Gemeinschaft entstehen.“ (Seite 118).
Diese Reich-Gottes-Tugenden entstehen im „wahren Gottesdienst“ (Matthäus 6). „Die Bergpredigt bietet den Menschen in der Jesusschule Befreiung von heuchlerischer Frömmigkeitspraxis und heidnischem Sorgen.“ (Seite 132). Kern ist dabei das „Unser Vater“ Gebet. Dieses führt uns in die zwei Kardinaltugenden.
- „Gelassenheit“
Die innere Ruhe, die ihren Grund im Getragensein von Gott weiss und mich vom Hetzen und Jagen um mein Leben zu sichern befreit. - „Trachtet zuerst“
Die Zielstrebigkeit richtet sich auf die Gerechtigkeit des Reiches Gottes (dein Wille geschehe). Das heisst, dass wir die Störsender „Sorge, Schuld und Angst“ abstellen und ganz nach Gottes Musik tanzen.
Fazit
Bernhard Ott ist es gelungen, mit diesem Buch die himmlische Musik anklingen zu lassen. Das Leben als Christ wird so zu einem Fest mit lebensfröhlicher Musik. Die Gute Nachricht bleibt „Gute Nachricht“, und lädt ein, in der Jesus-Schule den Charakter zu bilden. Nicht damit wir „frömmer“ werden, sondern damit wir unser volles Potential als Menschen entfalten können.
Dank der Linie, die er durch die Bibel vom Anfang bis zu Jesus und seiner Bergpredigt zeichnet, versteht man den Zusammenhang besser und begreift, was für eine wichtige Bedeutung die Bergpredigt hat. Dass er dabei Bonhoeffer und Buber zu Wort kommen lässt, eröffnet einen weiteren und tieferen Blick auf die Bergpredigt. Ich hatte beim Lesen einige Aha-Erlebnisse.