Alle lächeln in die Kamera. Vom Dreikäsehoch bis zu den Eltern. Ja, sogar der Hund scheint zu lächeln und die Sonne am Himmel strahlt sowieso. Postkartenidylle oder falsche Idealbilder? Die heile Familienwelt ist aktuell wieder im Hoch. Und die Werbung malt uns diese Familienbilder bunt an. Die perfekte Hypothek aufs Eigenheim, die passende Versicherung oder das vielseitige Familienauto, sie alle helfen mit, diese Idylle zu verwirklichen.
Das christliche Idealbild
Nicht nur die Wirtschaft versucht Idealbilder aufrecht zu erhalten und neu zu beleben. Auch die Kirchen machen bei diesem Wettstreit mit. Je nach Prägung ist das christliche Idealbild etwas anders gefärbt, doch der Kern bleibt überall derselbe. Die „Heiligkeit“ der Ehe zwischen Mann und Frau und die gemeinsame Sorge um die eigenen Kinder. Konflikte, Streit und suboptimale Bedingungen haben da keinen Platz.
Dass es zur Lebensweitergabe Frau und Mann braucht ist biologisch unbestritten. Dass Kinder Fürsorge, Liebe und Zuwendung so wie verlässliche Bezugspersonen brauchen ist in der heutigen Pädagogik eine allgemein anerkannte Tatsache.
Die Schlagseite der christlichen Idealbilder ist, dass sie über Jahrzehnte mitgeholfen hat, Abweichungen zu stigmatisieren. Verlierer dabei waren meist Kinder und Frauen aus nicht „konformen“ Familien. Menschen, die besondere Zuwendung und Schutz nötig gehabt hätten.
Biblische Idealbilder
Viele Christen berufen sich auf die Bibel, wenn sie das sogenannte christliche Idealbild der Familie verteidigen. Doch ein Blick in das dicke Buch genügt, um eine Familiengeschichte nach der anderen zutage zu fördern, die diesem Ideal nicht entsprechen, ihm geradezu widersprechen. Schon die erste Familie gibt kein gutes Bild ab. Adam schiebt feige die Schuld auf seine Frau Eva ab. Sieht so die zementierte Überlegenheit des Mannes aus?
Das Idealbild wird auch von den Söhnen Kain und Abel nicht erreicht. Ihre Art mit Konflikten umzugehen endet für Abel tödlich.
So sehr ich in dem dicken Buch blättere und suche, ich finde keine Familiengeschichte, die den heutigen christlichen Idealbildern entspricht. Und trotzdem schreibt Gott mit diesen Familien Geschichte. Das ist unheimlich beruhigend.
Woher kommen denn dann diese Idealbilder? Prof. Dr. Markus Ries der Universität Luzern hat dieses Phänomen in der Geschichte der katholischen Kirche untersucht und dazu 2017 einen interessanten Beitrag im Buch „Familie im Brennpunkt“ publiziert: „Die Heilige Familie. Gesellschaftskritik mit gefalteten Händen“.
Die Kraft der Befreiung von Idealbildern
Befreien wir uns von (falschen) Idealbildern die wir nie erreichen können, kann das unglaubliche Kräfte freisetzen. Denn die meisten Idealbilder blenden das wahre Leben aus. Es funktioniert vielleicht mit Robotern, aber nicht mit Menschen.
Zusammen mit Christoph Candrian, Pastor der evangelischen Freikirche Zug, durfte ich eine zweiteilige Predigtserie zu dieser Thematik machen. Wir haben diese Serie mit dem Titel „Familie mit Ausstrahlung“ überschrieben. Und wir sind überzeugt, dass in der Befreiung von Idealbildern Kraft liegt, die Familie zum Ausstrahlen bringt.
Wenn du mehr dazu hören willst, schau dir doch unsere Predigt „Die Kraft der Befreiung von Idealbildern“ an.
Biblische Familiengeschichten
Doch was sagen uns heute im Jahr 2022 die biblischen Familiengeschichten? Viele der heute top aktuellen Debatten um Familien finden wir schon in diesen Geschichten. Und wenn sie uns auch keine Patentlösungen bieten, können wir doch von ihnen lernen. Mindestens, wie man es besser nicht macht.
Ich finde, ein Blick lohnt isch in das dicke, alte Buch. Und so möchte ich diese Familiengeschichten hier teilen. Fortsetzung folgt.