„Schwarzbrot Spiritualität“ heisst ein kleines, 2005 erschienenes Buch von Fulbert Steffensky, dem deutschen Theologen, von dem ich schon einmal geschrieben habe. Auf ihn gestossen bin ich durch die Podcastserie zu den 10 Geboten von „Glaube und Gesellschaft“ der Universität Freiburg. Buchcover Schwarzbrot SpiritualitätSeine tierschürfende und zugleich schlichte Art hat mich damals sehr angesprochen und so habe ich mir dann das besagte Büchlein bestellt. Wie so oft, lag es lange ungebraucht herum, bis es endlich zu meiner Lektüre wurde. Schnell begriff ich dann, dass dieses Büchlein „Schwarzbrot Spiritualität„, das der 73-jährige Steffensky geschrieben hat, ein wahrer Schatz ist. Bewaffnet mit Stiften und Lineal habe ich es durchgearbeitet und ihm einen farbigen Anstrich verpasst.

 

Eine bunte Sammlung

Steffensky schreibt im Vorwort: „Mir kommt es gelegentlich vor, als ersetze das Wort (Spiritualität) selber schon die Inhalte die damit gemeint sein können. (…) Es ist oft zu einem Versprechen geworden, das nicht eingelöst werden kann.“ Und er fährt fort: „Aber es sind eigentlich die alten Fragen, die eine Antwort suchen: Wofür stehen wir im Leben? Wie gelingt es dem müden Herzen zu beten? (…) Wie entkommen wir dem Zwang, uns durch Funktionieren zu rechtfertigen?“
Das Buch ist eine 234 Seiten dicke Sammlung unterschiedlicher Texte für Radiosendungen, Kirchentags- und Synodevorträge. Und trotzdem ist es durchzogen mit der Erfahrung eines älter werdenden Menschen der von der grossen Sehnsucht getrieben und geformt worden ist.

 

Die grosse Sehnsucht

Mit dieser grossen Sehnsucht, der Suche nach spirituellen Erfahrungen, beginnt das Buch. Denn Sehnsucht ist eine treibende Kraft im Leben der Menschen. Die Sehnsucht der Menschen nach „mehr“ als dem Verfügbaren und dem Erklärbaren lässt die Menschen dort suchen, wo es nicht um Besitz und Dinge geht. Dabei machte Steffensky die Erfahrung, dass wir uns gar nicht selber suchen müssen, denn wir sind von dem liebenden Gott schon gefunden, bevor wir mit dem Suchen überhaupt beginnen. Eine seiner überraschenden Entdeckungen, was eine Spirituelle Erfahrung ist, klingt im ersten Moment sehr absurd.

„Was also ist eine spirituelle Erfahrung? Sie ist keine Selbsterfahrung, sie ist eher Selbstvergessenheit.“

Spiritualität führt uns nicht aus unserem Leben in einen Zustand der entrückten Glückseligkeit, sondern sie befähigt uns vielmehr, unsere Umwelt mit ganz neuen Augen deutlich wahrzunehmen und ganz in der Gegenwart zu Leben und zu Handeln.

So formuliert Steffensky sein Fazit: „Spiritualität ist gebildete Aufmerksamkeit“.

 

Gebildete Aufmerksamkeit

„Der Mensch ist nicht nur Seele und Geist, er ist alltäglicher Leib. Er hat nicht einen Leib, er ist Leib“. Und darum ermutigt er uns, das Handwerk der Spiritualität, das uns im alltäglichen Leben befähigt, über das Gegenwärtige hinaus zu sehen, zu erlernen. Dazu gibt er uns einige „Regeln“ und „Methoden“ mit auf den Weg. Diese erklärt er am Herzstück aller Spiritualität, dem Gebet. Einige dieser Regeln möchte ich hier weitergeben:

  • „Gib deinem Vorhaben eine feste Zeit! Bete nicht nur, wenn es dir danach zumute ist, sondern wenn es Zeit dazu ist. Regelmässig beachtete Zeiten sind Rhythmen.“
  • „Sei streng mit dir selber! Mach deine Gestimmtheit und deine augenblicklichen Bedürfnisse nicht zum Massstab deines Handelns! Denn Stimmungen und Augenblickbedürfnisse sind zwielichtig.“
  • „Rechne nicht damit, dass dein Vorhaben ein Seelenbad ist! Es ist Arbeit, manchmal schön und erfüllend, oft langweilig und trocken.“

Und zurecht schreibt er unter seine Ausführungen die Frage, ob das alles sei. „Warum braucht man das grosse Wort Spiritualität für eine so bescheidene Sache?“ Steffensky möchte uns ermutigen, uns das vergessene Wissen unserer Vorfahren wieder anzueignen, die Schätze aus den Psalmen neu zu heben und uns nicht nur auf Spiritualitätskonzepte aus anderen religiösen Gegenden zu stützen.

 

Schwarzbrot Spiritualität

Schwarzbrot ist nicht leicht verdaulich. Es nährt aber viel mehr als das leichte Weissbrot. Und trotzdem ziehen wir den warmen und frisch duftenden Sonntagszopf dem einfachen Brot vor, obwohl dann der Hunger bald wieder da steht. Steffensky möchte uns mit seinem Buch ermutigen, eine Spiritualität zu suchen und zu leben, die uns im Alltag, im gewöhnlichen Leben, nährt und den Hunger stillt. Und nicht nach einer Spiritualität zu suchen, die herrlich durftet aber einen leeren Magen zurück lässt.

„Gebet und Erinnerungen sind Brocken für die Glücklichen, mehr aber noch Brote und Trank für die Unglücklichen und Gepeinigten. Die Sprache des Glaubens gehört vor allem dahin, wo man sie nicht einfach am Leben ablesen kann.“