Die Sternstunde Religion vom 5. Mai 2019 strahlte ein Gespräch mit der amerikanischen, lutherischen Pastorin Nadia Bolz-Weber aus. Die Evangelien hat sie mit Tattoos auf ihrem Körper verewigt. Sie pflegt eine direkte Sprache und hat eine Kirche für Ausgestossene gegründet – so schreibt das SRF zu ihrer Person. Einfach ein schräger Vogel, der nur auffallen will, oder steckt da mehr dahinter, fragte ich mich, schaute die Sendung und liess mich überraschen.

Die erste Überraschung war der Name ihrer Kirche: “Haus der Sünder und Heiligen”, in Anlehnung an den Reformator Martin Luther der sagte, dass wir sowohl Sünder als auch Heilige seien. Nadia Bolz-Weber führt dazu in einem Interview auf ref.ch aus: “Wir können nicht vermeiden, Sünder zu sein. Selbst wenn ich meinem Ehemann treu bin, nie stehle oder lüge, bleibe ich eine Sünderin, denn dann werde ich stolz und hochmütig. Es ist unausweichlich. Dafür brauchen wir uns nicht zu schämen.”

Die zweite Überraschung ist ihr Werdegang. Aufgewachsen in einer evangelikalen Kirche, in eine Alkoholsucht gerutscht, mit der Kirche abgeschlossen und dann den Glauben neu entdeckt. “Mit Jesus hatte ich nie ein Problem, nur mit dem Christentum, das mein Leben einschränkt, wo ich Teile meiner Persönlichkeit verstecken muss”, sagt sie sinngemäss. Noch bei den Anonymen Alkoholikern erlebte sie, wie ein Freund sich das Leben nahm und sie von ihren Freunden gedrängt wurde, die Grabrede zu halten. Da hätte sie all die Menschen gesehen, die nirgends in eine Kirche passten, und da wurde ihr bewusst, dass sie für diese Menschen verantwortlich sei. Das habe sie motiviert, Theologie zu studieren.

Nach dem Wenigen das ich gehört und gelesen habe, bleibt eine gewisse Faszination. Auch wenn Nadja eine spezielle Persönlichkeit ist, auch wenn sich einige Ihrer Aussagen für fromme Ohren schräg anhören muss man ihr zugute halten, dass es ihr gelingt, die Menschen am Rand unserer Gesellschaft mit Jesus, mit dem Evangelium in Verbindung zu bringen, ihnen eine Familie zu geben, wie es sich Jesus gedacht hatte. Und wie ihr grosses Vorbild, Jesus, eckt auch sie in der frommen Szene an. Das könnte doch schon ein Indiz sein, dass sie etwas zu sagen hat! Und meine Erfahrung zeigt, dass Christen die ehrlich mit ihrer Lebensgeschichte umgehen, besonders wenn sie schwierig war, oft viel mehr zu sagen haben, weil sie Gott ganz anders, viel tiefer und existentieller erlebt haben, als Meschen, die nur so von Erfolg zu Erfolg “geflutscht” sind.