“Warum sollte ich nun fasten?” Diese Frage stellte ein Leser oder eine Leserin dem Ratgeber in der Luzerner Zeitung. Gute Frage: Warum soll ich auf etwas, das mir lieb und wichtig ist, verzichten? Wozu sind die 40 Tage Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern eigentlich gut? Klar, die Badesaison kommt schon bald und wenn es wärmer wird, ist es auch gut, den Winterspeck los zu werden.

Verzicht schärft die Sinne

“Die Motivation zu fasten ist bei jedem Menschen eine andere. Suchen Sie das Passende für sich. Wichtig ist, dass es beim Fasten nicht darum geht, sich selbst zu bestrafen, sonder darum, sich auf sich selbst und die eigene Lebensweise zu besinnen.” Das schreibt Irène Wüest, Skill-Coach als Antwort auf die Leserfrage. Und weiter: “Wir leben in einer Welt des Überangebots. Viele haben von allem mehr als genug, konsumieren und besitzen mehr als nötig. Wenn wir nur den Überfluss kennen und nie den Verzicht, dann stumpfen unsere Sensoren ab (…). Mit dem Verzicht lernen wir unsere Bedürfnisse besser kennen. Wir schärfen unsere Sinne (…).” Mit anderen Worten: Fasten, der freiwillige Verzicht, tut mir gut und hilft mir, den Überfluss besser zu geniessen, weil ich eine Zeitlang freiwillig verzichtet habe. Doch gibt es noch einen tieferen Sinn beim Fasten?

Blickwechsel

Diese Antwort ist sehr interessant und beim Lesen fällt auf:  Es dreht sich alles um sich selbst! Dabei ist Fasten der bewusste Entscheid, von sich weg zu schauen!
Fasten, wie es uns die christliche Tradition und die Bibel überlieferen, ist weder ein “sich selber bestrafen”, noch ein “Gott gnädig stimmen” und schon gar nicht ein “sich besser fühlen”. Fasten ist ein Blickwechsel. Ich wende meinen Blick von mir oder von den Umständen weg zu Gott hin. In den Chronikbüchern der Bibel lesen wir, wie im Angesicht der drohenden Gefahr ein Fasten ausgerufen wurde, weil sie sich Gott zuwenden wollten (2.Chronik 20,3). Sie suchten im Angesicht der Gefahr die Hilfe bei Gott.
Sowohl die Tradition als auch die Bibel verdeutlichen uns, dass ein regelmässiges Fasten unsern Blick für Gott und seine Wirklichkeit schärft. Dass wir in der Not Gott suchen ist noch eines. Aber dass wir unseren Alltag freiwillig unterbrechen, um uns bewusst auf Gott auszurichten, das ist schon schwieriger.

Mehr als Verzicht

An Ostern feiern wir, dass Gott den Tod, das Unheil und das Leid überwunden hat. Die Fastenzeit davor soll uns helfen, den Blick für diese Wirklichkeit zu schärfen. Wir dürfen aus dem Leistungsdruck aussteigen und unser Versagen abgeben. In der katholischen Messefeier wird jedesmal das Oster-Wunder gefeiert. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“.
Ein solches Fasten ist darum immer mehr als nur der Verzicht auf etwas. An Stelle des Essens kommt die bewusste Hinwendung zu Gott. Sei das durch Gebet, Bibellesen oder Meditation.

Fasten für Fortgeschrittene

Der Prophet Jesaja berichtet uns eine interessante Story: Das Volk Gottes beklagt sich, weil sie den Eindruck haben, dass Gott ihr Fasten nicht beachtet. Er antwortet ihnen nicht in dem Mass, wie sie es erwarten. In diese Situation hinein bekommt der Prophet eine Botschaft von Gott. “Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter.” Und weiter sagt Gott: “Nein, ein Fasten, das mir gefällt, ist so: Löst die Fesseln der Ungerechtigkeit, knotet die Jochstricke auf, gebt Misshandelten die Freiheit, schafft jede Art von Unterdrückung ab!” (Jeremia 58,3-6)
Gott macht hier deutlich: Wenn du mich suchen willst, wenn du mein Reden und Eingreifen in deinem Leben erfahren willst, so richte dich an meinen Massstäben aus. Dein Unrecht schreit lauter als dein Fasten! Wer Gott suchen will, kommt am Mitmenschen nicht vorbei!

Wer in dieser Fastenzeit so mutig ist und mehr als nur verzichten will, der kann sich die Frage stellen: Wo begehe ich Unrecht anderen Menschen gegenüber? Oder wo stütze ich ein Unrechtssystem, das Menschen ausbeutet?